In christlichen Kreisen wird das Buch Rut oft erwähnt, um die Beziehung zwischen Rut und Boas hervorzuheben. Die Geschichte soll als Ermutigung für Singles dienen, die sich einen Partner wünschen. Im Zentrum der Geschichte steht aber nicht eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, sondern Gottes Liebe und Treue seinem Volk gegenüber. Anhand der Geschichte von Noomi erfahren wir, wie sehr Gott sein Volk liebt und dass er es versorgt. Anhand von Ruts Geschichte erkennen wir, dass Gott sogar Ausländer (die Moabiterin Rut) aufnimmt und sie segnet, wenn sie sich zu ihm bekennen (Rut 1,16).
In diesem biblischen Buch geht es also nicht darum, einen Mann oder eine Frau fürs Leben zu finden, sondern um Gottes Liebe und Treue seinem Volk gegenüber. Was wir brauchen, ist nicht ein(e) Partner(in), sondern Gott. Denn mit Gott kommt das Potential für die menschlichen Beziehungen, die wir uns wünschen. GOTT ist es, der Versorgung, Lebensaufgaben, Beziehungen und noch viel mehr in unser Leben bringt. Er ist es, der uns segnet und Türen öffnet.
In meinem letzten Blogpost habe ich beschrieben, wie Gott Noomi, Ruts Schwiergermutter aus der Leere, Trauer und Hoffnungslosigkeit in ein Leben in Fülle geführt hat. In diesem Artikel werde ich auf Rut eingehen und konkret erläutern, was sie dazu beigetragen hat, dass auch ihr Leben sich von der Dunkelheit ins Licht bewegte und mit Segen erfüllt wurde.
Interessanterweise folgt in der hebräischen Bibel das Buch Rut auf das Buch der Sprüche. Unsere deutschen Bibeln aber folgen der Reihenfolge des griechischen Alten Testaments (Septuaginta). Das Buch der Sprüche endet mit der Beschreibung einer weisen Frau. Die dort dargestellte Frau fasst das Buch der Sprüche zusammen, indem portraitiert wird, wie Weisheit ganz praktisch angewendet aussieht. Derselbe hebräische Begriff חיל (khah’-yil), den Boas für die Beschreibung von Rut in 3,11 verwendet, wird auch in Sprüche 31,10 benutzt, um den Charakter dieser weisen Frau zu beschreiben. (Diese Beobachtung habe ich aus dem On Script Biblical World Podcast)
Rut befolgte drei konkrete Schritte, durch die Licht in ihre Dunkelheit kam:
1. Sie bezeugte ihre Treue zu Gott (Rut 2,11), indem sie mit Noomi nach Bethlehem ging, in ein Land und zu einem Volk, zu dem sie nicht gehörte.
Der Weisheit geht Gottesfurcht voraus: Die Ehrfurcht vor dem Herrn ist der Anfang der Weisheit. Gott, den Heiligen, zu erkennen führt zur Einsicht. Sprüche 9,10
Man fürchtet Gott, indem man ihn als Herrn in seiner Souveränität und Heiligkeit anerkennt sowie seinen Willen tut. Das geschieht nicht aus einer Angst heraus, sondern aus der Entscheidung, an ihn zu glauben und ihm in Liebe die Treue zu erweisen.
2. Ihr Fleiss zeichnete sie aus (Rut 2,17). Täglich sammelte Rut von früh bis spät Gersten auf. Sie arbeitete nicht nur für sich selbst, sondern versorgte auch ihre Schwiegermutter Noomi.
Rut fühlte sich nicht passiv ihren Umständen ausgeliefert, sondern handelte aktiv und selbstbestimmt. Sie liess sich nicht von ihrer Situation unterkriegen, sondern ging an die Arbeit, was sie in eine Position brachte, in der Gott sie segnen konnte.
3. Sie war rundum eine Frau von Integrität (Rut 3,11) und entsprach somit dem Bild der weisen Frau aus Sprüche 31:
Wer kann schon eine tüchtige Frau finden? Sie ist wertvoller als die kostbarsten Edelsteine.
Ihr Mann kann ihr vertrauen, und sie wird sein Leben bereichern.
Ihr ganzes Leben lang unterstützt sie ihn und fügt ihm nichts Böses zu.
Sie sammelt Wolle und Flachs, die sie flink verarbeitet.
Wie ein Handelsschiff bringt sie ihre Speise von weit her.
Vor Morgengrauen steht sie auf, um das Frühstück für das ganze Haus zuzubereiten und den Mägden ihre Arbeit anzuweisen.
Sie hält nach einem Feld Ausschau und kauft es, um von dem Gewinn einen Weinberg anzupflanzen.
Sie ist energisch und stark und arbeitet hart.
Sie achtet darauf, guten Gewinn zu erzielen; ihre Lampe brennt bis tief in die Nacht hinein.
Ihre Hände spinnen fleißig Garn, ihre Finger zwirbeln geschickt den Faden.
Sie hat stets eine offene Hand für die Armen und gibt den Bedürftigen großzügig.
Sie fürchtet den Winter nicht für ihre Familie, denn alle haben warme Kleidung.
Sie näht ihre Decken selbst. Sie kleidet sich in Gewänder aus feinstem Tuch.
Ihr Mann ist angesehen, denn er sitzt in der Ratsversammlung zusammen mit anderen hohen Bürgern des Landes.
Kostbare Hemden und Gürtel stellt sie her, die sie dem Händler verkauft.
Sie strahlt Kraft und Würde aus, und sie lacht und hat keine Angst vor dem kommenden Tag.
Wenn sie spricht, sind ihre Worte weise, und sie erteilt ihre Anweisungen in freundlichem Ton.
Sie weiß genau, was in ihrem Haus vor sich geht, und Faulheit kennt sie nicht.
Ihre Kinder begegnen ihr mit Achtung und segnen sie. Ihr Mann lobt sie:
»Es gibt viele tüchtige Frauen, doch du übertriffst sie alle!«
Anmut betrügt und Schönheit vergeht, aber eine Frau, die Ehrfurcht hat vor dem Herrn, soll gelobt werden.
Sie soll für ihre Arbeit belohnt werden und ihre Taten sollen in der ganzen Stadt ihren Ruhm verkünden!
– Sprüche 31,10-31 –
Natürlich ist diese Auflistung das Ideal einer weisen Person. Man mag sich fragen, ob diese Frau überhaupt mal eine Pause machte!? Sie scheint ja ständig gearbeitet zu haben!
Im Text steht, dass sie Gott fürchtete. Das bedeutet, das sie seine Gebote hielt und somit auch das Sabbatgebot. Während sie unter der Woche wie eine Verrückte arbeitete, ruhte sie am Sabbat und an den jüdischen Festtagen feierte sie.
Auch Rut hatte Ehrfurcht vor Gott. Weil sie sich zu Gott bekannte und ihm gehorchte, indem sie ein weises Leben lebte, fädelte er die rechten Begegnungen zur rechten Zeit ein, damit sie Segen erfahren würde.
Manchmal verkomplizieren wir Christen das Thema „Gottes Willen“ tun. Wir fragen uns, was genau er von uns hier und jetzt möchte. Dabei ist es ziemlich einfach: Gott lieben, Menschen lieben und sich selbst lieben (Matthäus 22,35-40). Gott zu lieben heisst, seinen Geboten zu gehorchen (1. Johannes 5,3); natürlich untermauert von seiner Gnade. Alles weitere wird Gott in die Wege leiten, um uns aus der Dunkelheit ins Licht zu führen. Er möchte nämlich, dass wir Freude und Liebe erfahren.
Wenn wir Gottes Willen folgen, treten wir mehr und mehr aus der Dunkelheit in unseren Herzen ins Licht. Indem wir Gott im Kleinen und Grossen dienen, erkennen wir, welchen spezifischen Teil wir dazu beitragen können, in unserer Zeit und unserem Umfeld Gottes Reich zu bauen; eine Berufung auszuleben.
Wenn wir Gottes Willen tun, bedeutet das nicht, dass Gott im Gegenzug alle unsere Gebete erhört und Wünsche erfüllt. Gott lässt sich nicht manipulieren, sondern greift aufgrund seiner Liebe in unser Leben ein und zeigt uns seine Treue, selbst wenn wir ihm nicht immer treu sind (2. Timotheus 2,13). Er bringt Licht in unser Leben und zwar zu seiner Zeit und auf seine Art und Weise.
Gott nimmt alle auf, die sich zu ihm bekennen. In seiner grossen Güte nahm er die Ausländerin Rut in sein Volk auf und gab ihr dazu noch die Ehre, den Grossvater des grossen König Davids und somit ein Vorfahre von Jesus auf die Welt zu bringen.
Den Segen, den sie erlebte, diente nicht nur ihr selbst, sondern dem grossen Plan Gottes, der Licht für die ganze Welt bringen würde.
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